Justicia y Paz oder Ley 975

Am 25. Juli 2005 erließ die damalige kolumbianische Regierung (Präsident Uribe) das Gesetz 975, besser bekannt als das Gesetz „Justicia y Paz – Gerechtigkeit und Frieden“. Zuvor war dieses Gesetz am 20.06.05 nach heftigen Debatten vom kolumbianischen Parlament abgesegnet worden. Das kolumbianische Verfassungsgericht befand bis heute zweimal über das Gesetz 975. Im April 2006 erklärte das Gericht die formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, bevor es am 18. Mai 2006 zu den Inhalten selbst Stellung nahm, einige Passagen korrigierte und andere als nicht anwendbar bezeichnete.

Das Gesetz Justicia y Paz legt die Bedingungen fest, unter der Mitglieder illegaler bewaffneter Gruppen in die Gesellschaft eingegliedert werden. Dieses Gesetz soll effektiv der Erreichung des Friedens im Lande dienen und Anordnungen treffen, unter denen humanitäre Vereinbarungen geschlossen werden können.

Soweit die Präambel zum Gesetz.

Diese Absicht wird im ersten Kapitel noch einmal ausführlich erklärt.

So wird im ersten Artikel des ersten Kapitel festgehalten, dass mittels dieses Gesetzes die Friedensprozesse im Land unterstützt werden sollen, in dem die Wiedereingliederung von Individuen oder ganzer Gruppen illegaler bewaffneter Einheiten geregelt wird. Gleichzeitig soll das Recht der Opfer auf Aufklärung/Wahrheit, Rechtsprechung und Wiedergutmachung (Rückgabe illegal entwendeter Eigentümer) gewahrt bleiben.

Ebenso wird festgelegt, dass als illegal bewaffnete Gruppen Einheiten der Guerilla oder der Selbstverteidigungskräfte zu verstehen sind. Zu den ersten gehören z.B. die FARC, die ELN u.a., die zweiten sind gemeinhin als Paras oder Paramilitärs bekannt, wobei die AUC (Autodefensas Unidas de Colombia / Vereinigte Selbstverteidigungen Kolumbiens) die bekannteste und einflussreichste war, wenn gleich nicht einzige dieser Gruppierungen.

Der zweite Artikel regelt die technischen Details der Untersuchungen, Gerichtsprozesse, Urteile und juristischen Vorteile des Gesetz.

Artikel 3 bezieht sich auf den juristischen Vorteil dieses Gesetz, da, alternativ zum höheren Strafmaß des normalen Strafgesetzes, hier Mitglieder illegal bewaffneter Gruppen günstigere Urteile erhalten. In diesem Zusammenhang sei hier die Strafe von 5-8 Jahren Haft für schwere Vergehen wie Mord, Folter oder Entführung erwähnt. Diese alternative Rechtsprechung erhalten alle, die sich bereit erklären bei der Aufklärung der durch die illegalen Gruppen begangenen Straftaten, bei der Rechtsprechung und bei der Reparation der Opfer mitarbeiten und zur Aussöhnung (insbesondere mit einstigen Gegnern) bereit sind.

Der vierte Artikel hebt noch einmal das Recht auf Aufklärung/Wahrheit, Rechtsprechung und Wiedergutmachung (Rückgabe illegal entwendeter Eigentümer) der Opfer hervor. Wer Opfer ist, regelt der fünfte Artikel, der auch Familienmitgliedern von direkten Opfern der bewaffneten Gruppen gleiche Rechte einräumt. Zu den Familienmitgliedern werden auch die nicht verheirateten Lebenspartner der direkten Opfer gezählt.

Die Artikel 6 bis 8 halten noch einmal das Recht und den Anspruch
– der kolumbianischen Gerichtsbarkeit, Straftaten illegal bewaffneter Gruppen zu verfolgen (Artikel 6)
– der Gesellschaft und der Opfer auf Wahrheit und Aufklärung über Täter und Taten (Artikel 7) und
– der Opfer auf Wiedergutmachung (Artikel 8 )
fest.

Dieser letzte Artikel unterscheidet noch einmal die Arten der Wiedergutmachung:
– Entschädigung: Rückgabe, Erstattung der den Opfer entwendeten Besitztümer
– Wiederherstellung des Zustands / der Stellung des Opfers vor der Straftat
– Rehabilitation: Handlungen die den Opfern bei der psychologischen und moralischen Genesung helfen sollen

Außerdem werden Garantien gefordert, die eine Wiederholung der Tat verhindern sollen. Zu diesen Garantien gehören die Abtrennung aus der illegalen bewaffneten Gruppierung (für Individuen), die Auflösung (für Einheiten) und die Zusicherung nicht zu den noch existierenden Gruppen zurück zu kehren / keine neuerlichen Straftaten zu begehen.

In den weiteren Kapiteln 2 – 12 werden in insgesamt 70 Artikel die technischen und juristischen Einzelheiten festgelegt, die die in Kapitel eins aufgelisteten Absichten des Gesetzes umsetzen sollen.

„Justicia y Paz“ wird vom kolumbianischen Verfassungsgericht als ein juristisches Instrument verstanden um ein politisches Ziel, den Frieden innerhalb des Landes zu erreichen.

Uribe Gegner sehen in diesem Gesetz aber ein politisches und kein juristisches Instrument. So wollen weite Teilen der in- und ausländischen Opposition es als eine Lex Uribe für die Paras verstehen, durch die den Paras Straffreiheit und danach Legitimität verschafft werden soll.

Einwände nicht politisch motivierter Kritik sind neben dem geringen Strafmaß für Mord, Folter und Entführung, der Anfangs zu kurz bemessene Zeitraum für die Ermittlungen oder notwendigen Aufklärungsprozessen sowie das Fehlen einer vollständigen und umfassenden Schulderklärung als Bedingung um sich der günstigeren Rechtsprechung unter „Justicia y Paz“ zu begeben. Dieser letzte Punkt wird gerade von der UNO kritisch gesehen. Die ursprünglichen Zeitbegrenzungen für die Ermittlungen wurden von dem kolumbianischen Verfassungsgericht im Mai 2006 als nicht anwendbar zurück gewiesen und seinen Vorstellungen angepasst.