Gustavo Moncayo – Befreit Laufen?

Solidarität mit Gustavo MoncayoAls ich das erste Mal in der Zeitung von Gustavo Moncayo lese, muss ich an den Film Forest Gump denken. Eine bewegende Geschichte über einen Mann der läuft und läuft und läuft.

Vor zwei Wochen verließ Gustavo seinen Heimatort Sandoná in Nariño (departamento im Südwesten Kolumbiens) mit dem 800 Kilometer weit entfernten Ziel Bogotá.

Sein Beweggrund für diese abenteuerliche Reise zu Fuß ist sein Sohn, der seit 10 Jahren von der Farc gefangen gehalten wird. Im Dezember 1997 wird eine Kommunikationsstation des Militärs in Nariño von der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia attakiert. 10 Soladaten sterben, 4 werden verletzt und 18 junge Männer entführt. Darunter auch Pablo Moncayo. 2001 werden 16 Geiseln dieser Gruppe auf Grund eines Abkommens zwischen dem Staat und der Farc im Austausch für 14 inhaftierte kranke Guerilleros freigelassen. Pablo ist nicht dabei. Er ist somit einer der am längsten gefangen gehaltenen Geiseln der Farc.

Ende Mai begannen Spekulationen um einen Gefangenenaustausch. Die Farc fordert die Freilassung von 500 inhaftierten Guerilleros. Im Gegenzug sollen angeblich 56 Geiseln zurück nach Hause können – darunter auch die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt, ihre Assistentin Clara Rojas, 3 Amerikaner und auch Pablo.

Für die Freilassung von bisher ca. 150 Guerilleros musste Uribe einiges an Kritik einstecken. Zum einen weil im Gegenzug noch keine der Geiseln freigelassen wurde zum anderen weil am 18. Juni eine Gruppe gefangener Abgeordneter erschossen wurden. (Die Farc beschuldigt das Militär – die Geiseln seien in einem Gefecht umgekommen.)

“Wir sind müde von so viel Betrug – es sind jetzt fast 10 Jahre vergangen, um die Freiheit der Entführten wieder zu gewinnen.“ sagt Pablos Vater.

Der „caminante de la paz“ – Friedensläufer – ist längst zum Symbol für eine humanitäre Lösung des Konfliktes geworden. Sein Ziel ist es die Aufmerksamkeit der Regierung und die Farc auf die Notwendigkeit eines Gefangenenaustausches zu richten. Er fordert die Freilassung der Geiseln mittels einer humanitären Lösung. Auf seinem langen Fußmarsch sammelt er genau dafür Unterschriften, um diese dem Präsidenten Alvaro Uribe persönlich zu geben und mit ihm über die Situation seines Sohnes und damit über die Schicksale vieler anderer Entführter zu sprechen.

Seit Gustavo sein zu Hause verlassen hat ist viel passiert. Zunächst die Nachricht des Todes der 11 Abgeordneten, die ihn in Angst und Schrecken versetzte, aber sicherlich die Notwendigkeit ihres Marsches bestärkten. Vor zwei Tagen bekam die Familie Moncayo dann eine erlösende Nachricht. Die Farc hatte dem arabischen Sender Al-Dschasira Videos von 7 Geiseln, darunter auch Pablo, zugespielt. Endlich nach 6 Jahren erhält die Familie ein Lebenszeichen von ihrem Sohn.

Mit dieser großen Hoffnung im Rücken und der Unterstützung des ganzen Landes läuft Gustavo und läuft und läuft.

Eine solche Solidarität, wie die zu Gustavo und seiner Familie habe ich bisher noch nicht erlebt. Egal, wo er läuft, in welchem Dorf oder in welcher Stadt er ankommt, wird er gefeiert wie ein Volksheld.

Die Menschen stehen an der Straße, um ihm zuzujubeln, ihm aufmunternde Worte zuzusprechen, ihn zu umarmen und ihm für seinen Einsatz zu danken, denn er tut dies auch für alle anderen Geiseln.

Hausfrauen stehen an der Straße bereit mit Speisen und Getränken, die Autos hupen, wenn sie ihn sehen und überall schwenken die Kolumbianer weiße Flaggen.

Ob seine Füße nicht schmerzen, fragt ein Reporter Gustavo. „Ja“ antwortet er „aber der leere Platz am Esstisch schmerzt viel mehr.“ Ärzte rieten ihm nach bereits 8 Tagen ab, weiter zu gehen, aber die Gedanken an seinen Sohn treiben ihn immer weiter und so läuft Gustavo und läuft und läuft.

Und er läuft nicht mehr allein, denn schon kurz nach Beginn seiner Reise schlossen sich immer mehr Menschen an. Manche gehen Teilstrecken, manche begleiten ihn bis Bogotá. Darunter sind Familienangehörige von noch Entführten aber auch ehemalige Gefangene aus der Gruppe von Pablo.

Mittlerweile hat Gustavo über die Hälfte des Weges hinter sich. Präsident Uribe bestätigte gestern in einem Fernsehinterview, dass er sich mit Gustavo treffen werde, sobald er in Bogota angekommen ist und so läuft Gustavo und läuft und läuft.

Ich denke, Gustavo hat seinen Marsch genau zum richtigen Zeitpunkt angetreten – in Mitten der Ereignisse der letzten Woche ist er zu einer wichtigen Symbolfigur für das Land geworden. Die Solidarität, die die Kolumbianer gestern abend auf dem Plaza Bolivar und heute bei Demonstrationen im ganzen Land zeigten, galt sicherlich auch dem Friedensläufer.

Geht es also um die Frage, ob Laufen befreit bin ich der festen Meinung: JA!