Justicia y Paz: Gescheitert oder Neu-Orientierung?

Nach der Auslieferung des Para-Führers „Macaco“ an die Justiz der USA, folgten gestern (13.05.08) in den frühen Morgenstunden weitere 14 Chefs der ehemaligen rechten Terrorgruppe AUC in die Vereinigten Staaten von Amerika. Damit überraschte die kolumbianische Regierung nicht nur die Öffentlichkeit, sondern die Ausgelieferten selbst, die in der Nacht aus ihrem Schlaf gerissen und benachrichtigt wurden, dass ihre Ausreise in USA bestimmt worden sei und sie nach einem kurzen Anruf bei ihren Familien auf zu brechen hätten. Damit ist fast die gesamte Führung der AUCs in den USA.

Seit dem fragt sich Kolumbien: Ist Justicia y Paz gescheitert? Was wird aus der Reparation der Opfer? Wie geht es mit der Para-Politik weiter?

Gestern gab Alvaro Uribe eine Erklärung (spanisch) seiner Entscheidung ab.

Seine Gründe für die Auslieferung waren die mangelnde Kooperation der ehemaligen Para-Führer mit der Justiz und die Tatsache, dass die Angeklagten auch aus der Untersuchungshaft weiterhin ihren kriminellen Geschäften nachgingen. Im einzelnen beklagte er:
– Fortführung der kriminellen Aktivitäten
– Keine Kooperation zur Wahrheitsfindung
– Schleppende bzw. kaum erfolgte Wiedergutmachung an den Opfer

Diese drei Punkte sind Eckwerte von Justicia y Paz. Dass diese von den Para-Führern ignoriert wurden, war ein offenes Geheimnis und für immer mehr Menschen der Grund, Justicia y Paz in Frage zu stellen.

Die kolumbianische Regierung sieht in der Auslieferung die Garantie um die Absicht des Gesetzes Justicia y Paz zu erfüllen:
– Aus den amerikanischen Gefängnissen soll es den Angeklagten unmöglich sein, weiter ihre Geschäfte zu lenken
– Kolumbianische Anwälte und Vertreter der Opfer haben die Zusage, die Angeklagten in den USA weiterhin zu verhören
– Gelder und Besitztümer, die die Para-Führer der amerikanischen Justiz anbieten um das Strafmaß zu reduzieren, werden für die Reparation der Opfer verwendet.

Die Auslieferung erscheint logisch, lässt aber viele Fragen offen. Die meisten dieser Fragen haben natürlich mit den Punkten Reparation der Opfer und Wahrheitsfindung (hier speziell Namen der in der Para-Politik verwickelten Politiker) zu tun.

Amerikanische Gerichte sind nur an dem Tatbestand des Drogenhandels interessiert. Sie werden sich nicht zuständig erklären, wenn es um die von den Paras begangenen Morde und Menschenrechtsverletzungen geht. Schon im Fall des FARC-Mitglieds „Simon Trinidad“ erklärte sich die U.S. amerikanische Justiz für nicht zuständig um über die Trinidad vorgeworfenen Morde und Entführungen zu sprechen. Diese seien politisch motivierte Taten gegen den kolumbianischen Staat gewesen und damit Zuständigkeit dessen Justiz. So werden alle Para-Führer ihre Taten als politisch motivierten Kampf auslegen, sich als Kriegsgefangene erklären und einzig als Drogenhändler vor Gericht stehen.

Trotzdem stehen ihnen höhere Haftstrafen bevor als unter Justicia y Paz vorgesehen. Das amerikanische Strafmaß für Drogenhandel liegt zwischen 17 Jahren und lebenslänglich. Hier wird die Zusammenarbeit mit der Justiz eine Rolle spielen, wie hoch die endgültige Strafe sein wird. Auf diese Kooperation setzt auch die kolumbianische Justiz. So war es für den Ober-Staatsanwalt eine Vorbedingung zur Auslieferung, dass kolumbianische Anwälte und Vertreter der Opfer bei den Verhören in den USA dabei sein dürfen und dass die von den Angeklagten der amerikanischen Justiz, zur Verringerung ihrer Strafe angebotenen Reichtümer zur Reparationszahlung an die Opfer verwendet werden dürfen.

Wie können aber die Angeklagten zur Zusammenarbeit in Sachen Wahrheitsfindung und Wiedergutmachung gebracht werden, wenn sie sich nur als Drogenhändler verantworten müssen?

Die Regierung und auch die Staatsanwaltschaft meint, dass die Führung für die Wahrheitsfindung nicht benötigt wird. Über die Morde, die Lage der Gräber und die Details wüsste die mittlere Führungsebene der AUC besser Bescheid als ihre Auftraggeber.

Die Opfer wollen sich nicht damit begnügen und den Internationalem Gerichtshof beauftragen, ihre Rechte zu vertreten. Sollte diese Instanz zustimmen, dann wären die Angeklagten besser beraten gleich mit der amerikanischen Justiz zu kooperieren und die Opfer zu Frieden zu stellen als einen weiteren Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof zu riskieren und zu den Strafen für Drogenhandel noch zusätzliche Haft für ihre Vergehen gegen die Menschlichkeit zu addieren.

So gesehen, ist die Entscheidung der Regierung wirklich ein möglicher Ausweg aus dem fruchtlosen Prozess in Kolumbien.

Politisch kann sie auch von hohem Nutzen sein:
– unter den Ausgelieferten befinden sich die Para-Führer, denen Morde an Gewerkschaftlern zur Last gelegt werden. Vor allem die Demokratische Partei der USA verweigerte ihr Ja zu einem Freihandels-Abkommen mit Kolumbien mit dem Hinweis, dass in diesem Land die Aufklärung der Morde an und das Ende der Verfolgung der Gewerkschaft nicht energisch genug voran getrieben werden. Mit der Auslieferung der Haupttäter kann sich die kolumbianische Regierung erst einmal diesem Vorwurf entziehen.

– die in die Para-Politik Verwickelten dürften erst einmal durchatmen. Zwar werden kolumbianische Anwälte die Aussagen der ehemaligen Para-Führer auch in den USA einholen, aber dies wird sicher viel langsamer geschehen. So sollte „Don Berna“ – ebenfalls ausgelieferter Ex-AUC-Boss – kommenden Donnerstag über die Zusammenarbeit mit Politikern in Antioquia aussagen. Diese Aussage ist erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zunächst bleibt also allen nur die Frage: Justicia y Paz, gescheitert oder mit frischem Wind auf neuem Wege?