Kolumbianisches Militär wegen toter Zivilisten untersucht

Mit sofortiger Wirkung enthob Präsident Alvaro Uribe 27 Offiziere und Unteroffiziere ihrer Ämter. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet, welches aller Voraussicht nach vor der kolumbianischen Justiz enden wird.

Es geht um die so genannten „falsos positivos“, ein „Unwort“ für gefälschte Erfolgsmeldungen. Mit diesen gefälschten Erfolgen versuchen Polizei- und Militärpersonal ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen und Belobigungen und Beförderungen, in manchen Fällen auch finanzielle Belohnungen zu bekommen. So sind gerade vor einem guten Jahr mehrere Polizisten aufgeflogen, die Bombenanschläge in letzter Minute enttarnten, welche sie selber geplant hatten.

Die jetzigen „falsos positivos“ derer einige Militäreinheiten angeklagt werden, sind um einiges perverser und erschütternder. Diese Einheiten werden angeklagt, gemeinsam mit kriminellen Banden zusammen zu arbeiten. Dabei haben die Banden die Aufgabe in den Städten arbeitslose junge Männer anzuheuern. Sie versprechen den Arbeitssuchenden gute Jobs an anderen Orten. Dort werden sie in Hinterhalte gelockt oder geführt, erschossen und in Uniformen der Guerillas, der neuen Para-Gruppen oder verschiedener Drogenbanden gesteckt. Danach werden sie von den lokalen Militäreinheiten als im Gefecht gefallene Feinde vorgestellt. Die eingeweihten Militärs scheinen diese Banden für jeden „Körper“ den diese anwerben zu bezahlen.

Schon seit einiger Zeit wird über Fälle von Campesinos – Landarbeitern berichtet, die im Gefechtsfeuer zwischen Militärs und illegal bewaffneten Gruppen getötet werden und dann vom Militär der Öffentlichkeit als gefallene Guerilleros/Paramilitärs oder Drogenschmuggler vorgestellt werden. Schon sind deswegen einige Soldaten vom Dienst suspendiert und der Justiz überstellt worden.

Doch die Fälle um die es jetzt geht, sprengen die Vorstellungskraft der Gesellschaft und verzehren die Sympathie, die das Militär durch seine Erfolge gerade in diesem Jahr gewonnen hatte. Hier sind nicht Unschuldige zwischen die kämpfenden Fronten geraten und als so genannte KolateralSchäden im Kreuzfeuer erschossen worden und dann von vereinzelten, skrupellosen Soldaten als gefallene Feinde ausgegeben worden. Hier wurden und werden im kommerziellen Stil junge Menschen unter falschen Vorwänden in eine tödliche Falle gelockt. Die Schieber erhalten Geld, das Militär Anerkennung.

So richtet sich Uribes Wut und Enttäuschung an das Militär. Die suspendierten Generäle und Oberste werden vielleicht nicht gewusst haben, was Teile ihrer Brigaden trieben. Aber Uribe machte deutlich, dass er die Führung verantwortlich macht, ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt zu haben. Über die straffrechtlichen Konsequenzen ihrer mangelnden Aufsichtspflicht wird die kolumbianische Justiz entschieden. Militärisch ist ihre Karriere zu Ende.

Doch das ist alles nur der Anfang. Natürlich fordert die kolumbianische Opposition auch gleich den Rücktritt des Verteidigungsministers Santos. Seine Politik der Belohnungen sei verantwortlich für die entartete Jagd nach Erfolgsbeweisen.

Auch die kolumbianische Justiz ist nun an einer neuen Front gefordert. Nach dem sich alles in der jüngsten Vergangenheit um die mit den Paras arbeitenden Politiker drehte, werden nun über 780 Fälle untersucht, in denen Militärs seit Januar 2003 Zivilisten als gefallene Guerilleros oder Paras ausgegebenen haben sollen. 930 Angehörige der Streitkräfte werden wegen dieser wahrscheinlichen Falschmeldungen und Morde untersucht.

Sicher werden die „falsos positivos“ noch viele Militärführer mit sich reißen. Uribe und Santos machten in ihren entschiedenen Reden klar, dass sie keine Toleranz kennen würden. Im Kampf gegen die Guerilla seien nicht militärische Siege entscheidend sondern die Herzen der Menschen zu gewinnen. Daher gehen ihnen demobilisierte Kämpfer vor gefangenen und diese vor getöteten.

Ungewohnten Beistand erhielt die kolumbianische Regierung von der NGO Human Rights Watch, die die Ablösung der 27 Militärs begrüßte und sie als die Konsequenz einer Politik bezeichnete, die mit der Amtseinführung Santos als Verteidigungsminister begonnen hätte.