Krankenhäuser und Medizinische Betreuung in Kolumbien

Vor ein paar Wochen hatten wir im Blog aufgerufen, ob es Interesse bei den Lesern gibt, selbst Artikel zu veröffentlichen. Daraufhin hat sich Daniel bei uns gemeldet, er hat ein Praktika in kolumbianischen Krankenhäusern gemacht. Nachfolgend berichtet er über seine Erfahrungen bei der Arbeit in Krankenhäusern in Medellin und über den Standard bei der medizinischen Betreuung in Medellin.

Bereits Ende 2001 besuchte ich das erste Mal Medellín um den chirurgischen Teil des praktischen Jahres (PJ), im Krankenhaus San Vicente de Paúl zu absolvieren. Das PJ ist das letzte Jahr des Medizinstudiums in welchem man die gesamte Zeit im Krankenhaus eingesetzt wird um praktische Erfahrungen zu sammeln.

Mir wurde während dieser Zeit viel gezeigt, so durfte ich an vielen Operationen mit Schuss- oder Stichverletzungen teilnehmen und durfte sogar selbstständig kleinere Operationen wie Pleuradrainagen durchführen. Auch hatte ich einige gute Freunde gewonnen, so dass ich beschloss zu einem späteren Zeitpunkt Medellín erneut zu besuchen.

Inzwischen bin ich als Assistenzarzt in der Frauenheilkunde in Deutschland tätig und entschied mich für ein Praktikum Medellín um zu sehen wie hier in diesem Fachbereich gearbeitet wird. Ich erhielt von meinem Arbeitgeber zwei Monate frei, den ersten Monat verbrachte ich wieder im Hospital Universitario San Vicente de Paúl, den anderen im Hospital General.

Das erste was mir in kolumbianischen Krankenhäusern auffiel ist das in der Regel junge Alter der Assistenzärzte- oder innen, der residentes . Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass kolumbianische Schüler bereits mit 16 Jahren das Bachillerato ablegen können, welches in etwa unserem Abitur entspricht. So sind Assistenzärzte- oder innen mit 22 Jahren keine Seltenheit.

Der zweite grundlegende Unterschied besteht in der Struktur der Weiterbildung zum so genannten Facharzt, also einem Arzt der in einem speziellen Fachgebiet z.B. Frauenheilkunde oder Allgemeinmedizin ausgebildet ist. In Deutschland sucht man sich nach Abschluss des Medizinstudiums eine Assistenzarztstelle in einem beliebigen Krankenhaus in dem Fachgebiet in dem man sich spezialisieren möchte. Wird man akzeptiert so erhält man von dem Krankenhaus Gehalt. Diese Spezialisierung ist Pflicht um später selbstständig als Arzt arbeiten zu können. Hier in Kolumbien hingegen arbeitet man nach Abschluss des Studiums in der Regel bereits als „Medico General“, der dem Allgemeinarzt in Deutschland entspricht. Etwa 98% aller Ärzte sind so tätig. Möchte man sich spezialisieren, so muss man sich erneut bei einer Universität bewerben und in der Regel entscheidet ein Eingangstest welche von den zahlreichen Bewerbern einen der wenigen Ausbildungsplätze erhalten. Auch schreibt man sich wieder in der Universität ein und so erhalten die Assistenzärzte hier bis auf eine kleine Unterstützung des Staates kein Gehalt vom Krankenhaus. Im Gegenteil: handelt es sich um eine private Universität, so sind sogar noch Studiengebühren fällig. Dennoch ermutigen die besseren Verdienstmöglichkeiten nach Abschluss der Spezialisierung viele Ärzte sich um diese zu bewerben.

Die eigentliche Arbeit im Krankenhaus unterscheidet sich gar nicht so sehr von der in Deutschland. Die Behandlungsleitlinien basieren auf wissenschaftlichen Publikationen. Allerdings orientiert man sich in Kolumbien mehr an den Empfehlungen aus den USA als an denen aus Europa, dennoch sind die grundlegenden Behandlungsmaßnahmen ähnlich.

Der technische Standard erscheint mir mit dem europäischen durchaus vergleichbar, allerdings darf man nicht vergessen, dass ich in der Großstadt Medellín gearbeitet habe. Auf dem Lande sieht es wohl anders aus.
Speziell in der Geburtshilfe sind mir ein paar Unterschiede aufgefallen: Schwangere, die ihr erstes Kind erwarten sind deutlich jünger als in Deutschland; so sind Patientinnen mit 14 Jahren keine Seltenheit. Die Schwangerschaftsvorsorge ist auf einem wesentlich geringeren Niveau als in Deutschland und zudem gibt es zahlreiche Schwangere die sie nicht durchführen lassen. So ist eine Gebaehrende, die in der Schwangerschaft nicht einmal einen Arzt gesehen hat, keine Seltenheit. Krankheiten wie Syphilis oder die Infektion mit dem HIV-Virus sind häufiger. Auch gibt es in Kolumbien keine Hebammen wie wir sie aus Deutschland kennen. Zwar gibt es in den ländlichen Zonen sogenannte „parteras“, welche die Frauen bei der Geburt unterstützen, allerdings besitzen diese keine eigentliche Ausbildung, sondern werden von ihren Vorgängerinnen angelernt. Nach Auskunft der kolumbianischen Ärzte ist Wissenstand eher als unzureichend anzusehen und es wurden verschiedene Programme um Ihre Fertigkeiten zu verbessern, allerdings wohl ohne durchgreifenden Erfolg. Die eigentliche Arbeit der Hebammen im Krankenhaus übernehmen die „Internos“, die Studenten im letzten Studienjahr, welche alle zwei Monate Erfahrungen in der Frauenheilkunde sammeln müssen. Je nach Versicherung der Schwangeren und abhängig von eventuell eingetretenen Komplikationen in der Schwangerschaft werden diese einem Krankenhaus zugeteilt und sollte es sich nicht um einen Notfall handeln auch nicht in anderen Krankenhäusern behandelt. Hierzu wird der Standard eines Krankenhauses in 4 Level eingeteilt, Level 1 entspricht der Grundversorgung, während Level 4 der Maximalversorgung entspricht. Es gibt es keine eigentlichen Kreissäle wie in Deutschland, in dem die Gebärenden alleine von dem Beginn der Wehentätigkeit bis zur Geburt betreut werden. Hingegen gibt es größere Säle, in denen bis zu 10 Patientinnen in, durch Vorhänge abgetrennten Kabinen, betreut werden. Steht die Geburt unmittelbar bevor, so wird die Gebärende in einen Operationssaal verlegt, in welchem die Geburt in Anwesenheit eines Kinderarztes stattfindet. Die Ãœberwachungsmöglichkeiten des noch ungeborenen Kindes sind im Prinzip die gleichen wie in Deutschland. Allerdings wird das Kardiotokogramm (die Aufzeichnung der kindlichen Herzfrequenz in Abhängigkeit von der Wehentätigkeit) wesentlich seltener angewendet als ich es von Deutschland aus gewohnt war. Die Komplikationen bei der Geburt sind die Gleichen, allerdings liegt die kindliche und mütterliche Sterblichkeit deutlich höher. Ich denke dieser Zustand ist eher durch die unzureichende Schwangerschaftsvorsorge und die unzureichende medizinische Betreuung in den ländlichen Gebieten als dem Niveau in den städtischen Krankenhäusern zu erklären.

Die Abdeckung der Arbeitszeiten in den Krankenhäusern erfolgt in Schichtdiensten. So wird man als Assistenzarzt einer bestimmten Gruppe mit anderen Assistenzärzten, Studenten und Oberärzten zugeteilt. Insbesondere die Assistenzärzte müssen viel arbeiten und erhalten zudem noch zahlreiche wissenschaftlichen Nebentätigkeiten zugeteilt, wie z.B. Betreuung von Studien oder das Ausarbeiten von Seminaren. Dafür dürfen sie viel operieren. So werden nahezu alle Operationen von Assistenzärzten unter Aufsicht eines Oberarztes durchgeführt. Ein Zustand, von dem man als deutscher Assistenzarzt nur träumen darf. Durch diese intensivierte Ausbildung beträgt die Weiterbildungszeit auch nur drei Jahre und nicht fünf wie in Deutschland.

Spanischsprechenden Medizinstudenten kann ich ein Praktikum in einem kolumbianischen Krankenhaus nur empfehlen.