ELN – Nationales Befreiungsheer

In Kolumbien hat der bewaffnete Kampf gegen den Staat bzw. die Obrigkeit eine sehr lange Tradition. Im 19. Jahrhundert leisteten bereits Indianer und Schwarze Widerstand gegen die Spanier. Die ersten Guerillabewegungen, wenn auch noch sehr unorganisiert, entstanden bereits in den 40´er Jahren des 20. Jahrhunderts, waehrend der sog. “Violencia” (Gewaltepoche), als sich Bauern zu ersten Selbstverteidigungsgruppen zusammenschlossen. Im Zuge der kubanischen Revolution begannen sich auch in Kolumbien die verschiedensten Gruppen zu organisieren. Im Juli 1964 wurde das Nationale Befreiungsheer, kurz ELN (“Ejercito de Liberación Nacional”), von Bauern und Intelektuellen der Studentenbewegung gegruendet. Ihr erster Anfuehrer war Fabio Vasquez Castaño. Ein Jahr spaeter 1965 schloss sich der katholische Priester Camilo Torres der ELN an, um die katholische Befreiungstheologie mit dem revolutionaeren Kampf zu verbinden.
Nur drei Monate spaeter fiel Camilo Torres in seinem ersten Kampf in einem laendlichen Gebiet bei San Vicente de Chucuri. Noch heute ist Camilo Torres eines der Symbole des bewaffneten Widerstands der ELN. Bis zu seinem Tod 1998 fuehrte dann der spanische Priester Manuél Perez die ELN an. 1987 schlossen sich die ELN, EPL, M19, Quintín Lamé und die FARC zur Dachorganisation “Coordinadora Guerillera Simon Bolivar” zusammen, um als Gruppe mit mehr Macht bei Friedensgespraechen mit der Regierung Barcos und Gavirias aufzutreten und gemeinsam militaerische Aktionen durchzufuehren. Von dieser Organisation ist heute jedoch nichts mehr zu hoeren, zu unterschiedlich waren wohl die ideologischen und militaerischen Auffassungen. Heute wird die ELN vom Zentralkommando („Comando Central“, kurz „Coce“) bestehend aus 5 Personen gefuehrt. An der Spitze steht Nicolas Rodriguez (genannt “Gabino”), der fuer die politische und militaerische Struktur der Organisation verantwortlich ist. Ebenfalls dem Zentralkommando angehoerend sind Antonio Garcia und Pablo Beltran. Die bis vor kurzem inhaftierten Francisco Galan und Felipe Torres scheinen nicht mehr dem “Coce” anzugehoeren. Francisco Galan, der sowohl im Gefaengnis als auch nach seiner Freilassung als eine Art Sprecher und Vermittler zwischen Guerilla, Regierung und Zivilgesellschaft taetig war, wurde von der ELN aus diesem Amt aufgrund unterschiedlicher Auffassungen ueber das zukuenftige Vorgehen enthoben.
Die ELN ist vor allem in den erdoelreichen Departments Arauca und Casanare, sowie in der Sierra Nevada de Santa Marta aktiv und versucht dort, durch Blockaden der wichtigsten Strassenverbindungen, Sprengungen von Oelpipelines und Strommasten, Erpressungen von Oelkonzernen, Firmen, Viehzuechtern und Grossgrundbesitzern sowie Schutzgeldentfuehrungen auf sich und ihre Forderungen wie nationale Souveraenitaet ueber die Bodenschaetze und Verwaltung des Profits durch das Volk aufmerksam zu machen. Der Grossteil der Einnahmen wird heutzutage jedoch laut oeffentlicher Meinung wohl aus den Geldern des Drogenhandels gewonnen.
Die sehr ideologische Ausrichtung dieser marxistisch-leninistische Untergrundorganisation verhinderte immer eine groessere Zustimmung in der baeuerlichen Bevoelkerung.
Die von der Regierung Uribes, der Zivilgesellschaft und der ELN 2006 begonnenen ersten Gespraeche mit dem Ziel in konkrete Friedensverhandlungen ueberzugehen, sind in den letzten Monaten leider ins Stocken greaten. Waehrend die Regierung ein sofortiges Ende der Entfuehrungen als Voraussetzung der Gespraeche erachtet, fordert die ELN die Regierung zu einer konkreten Agenda ueber politische und soziale Aenderungen auf. Leider kann man bei beiden Seiten die notwendige Bereitschaft fuer einen Fortschritt der Gespraeche nicht erkennen.
Heute ist die militaerische Staerke der ELN, die schaetzungsweise immer noch ueber ca. 5000 Kaempfer verfuegt, durch die von Praesident Uribe eingefuehrte Politik der demokratischen Sicherheit stark eingeschraenkt. Die Vereinigten Staaten von Amerika wie auch die Europaeische Union ordnen die ELN mittlerweile als terroristische Vereinigung ein.