Wandern in der Sierra Nevada del Cocuy

Kolumbien ist bekannt für seine zahlreichen und wunderschönen Landschaften. Unter den Gebirgsszenerien zählt die Sierra Nevada del Cocuy unzweifelhaft zu den eindrucksvollsten: Hoch im Nordosten auf dem Übergang der Regierungsbezirke Boyacá und Arauca an der Grenze zu Venezuela gelegen besticht das Gebirgsmassiv, das zur Cordillera Oriental, der östlichen der drei Gebirgsketten der Anden, die sich durch Kolumbien ziehen, gehört, durch weißglänzende Gletscher, See im Nationalpark El Cocuy leuchtend blaue Seen und eine außergewöhnliche Pflanzenwelt. Mehr als 25 Gipfel sind dauerhaft schneebedeckt, die Gletschermasse ist die größte Kolumbiens. Die Vegetation umfasst urwüchsigen Bergwald auf Hochebenen, Andenwald und die baumlose Gebirgstundra, span. páramo, und kann über 700 Arten von Gefäßpflanzen aufweisen. Das entspricht 83 % der Hochgebirgsarten in Kolumbien und ist die vielfältigste Hochgebirgsflora der Welt!

1977 wurde der Nationalpark El Cocuy gegründet mit dem Ziel, die äußerst gering intervenierte Landschaft Frailejón (Espeletia sp.)und die darin enthaltene Biodiversität zu schützen. Der Park umfasst 306.000 ha, 3 % der Gesamtfläche der Sierra Nevada, und erstreckt sich auf einer Höhendifferenz zwischen 600 m und 5330 m. Die Temperaturen liegen, je nach Sonneneinstrahlung und Höhenlage, zwischen 4 und 20°C; in den höheren Lagen sinken sie nachts auf Minusgrade ab.

Der Cocuy sollte auf der Liste jedes Naturliebhabers und Wanderfreunds, der Kolumbien besucht, ganz oben stehen. Wenn es Zeit, körperliche Konstitution und Geldbeutel erlauben (mindestens bei der ersten Begehung empfiehlt es sich Wandern mit allem nötigen Gepäck, einen Bergführer anzumieten), sollte man sich den von Touristen noch oft ausgesparten Nationalpark nicht entgehen lassen. Mit Anreise aus der Hauptstadt dauert die Umrundung der Gebirgskette eine Woche. Wenn man sich für Gipfel- und Gletscherbesteigung interessiert, kann man gezielt Bergführer für GletscherExtratouren anmieten. Dabei muss allerdings immer mit einigen Tagen Hin- und Rückwanderung gerechnet werden. Höhenkrankheit ist ein ernstes Thema und sollte nicht unterschätzt werden, immer wieder kommen im Park Wanderer durch Unvorsichtigkeit und Unwissenheit zu Tode. Einmal im Park ist man von der Außenwelt abgeschnitten und bis zu drei Tagesreisen zu Fuß von einem der Ausgänge entfernt. Wandern durch weite Landschaften, ohne eine Menschenseele zu treffen. Es gibt keine Zugangsstraßen und keine Hubschrauber zur Notfallrettung auf dem Luftweg. Ein mit dem Gebiet vertrauter Bergführer kann hier den lebensrettenden Unterschied machen, da es nur bestimmte Stellen gibt, an denen man aus großer Höhen schnell absteigen kann, wie es im akuten Fall von fortgeschrittener Höhenkrankheit unbedingt erforderlich ist. In jedem Fall sollte man sich vor Beginn der Wanderung ausreichend über die Symptome, und wie man sich bei deren Auftreten verhalten sollte, informieren.

Um von Bogotá zum Nationalpark zu gelangen, fährt man mit dem Bus über Tunja und Sotoá nach Güicán oder El Cocuy, den zwei am nächsten gelegenen Dörfern westlich des Parks. Man kann ohne Umsteigen nach Güicán, das letzte Dorf auf dem Weg zum Parkeingang gelangen, muss jedoch mit reichlich Stopps entlang der letzten Strecke des Wegs rechnen. Die Fahrt dauert etwa 13 Stunden (ungefähre Angabe!). Von Güicán oder El Cocuy aus gelangt man über die sich hoch schlängelnde Straße in knapp 1 Stunde zum nördlichen oder südlichen Parkeingang. Dafür mietet man einen Jeep (in Kolumbien oft Willyz genannt) für die Hinfahrt und vereinbart Tag und ungefähre Zeit für die Rückfahrt vom anderen Parkeingang.

Die Tour entlang der Süd-Ost-Nord-Seite der Gebirgskette (oder umgekehrt) dauert von Güicán oder El Cocuy aus im Allgemeinen fünf Tage. Wanderweg Süd – Nord. Jedoch sollte man sich, wenn möglich, ruhig einen Tag mehr Zeit nehmen, um die wunderschönen Szenerien, die sich einem bieten, ohne Hast genießen und bei Belieben ein paar Stunden länger an einem der funkelnden Seen verweilen zu können. Auch in Hinsicht auf die Höhenkrankheit ist etwas zeitlicher Spielraum, um sich langsam an die größeren Höhenlagen heranzutasten, sinnvoll. Trinkwasser ist im ganzen Park verfügbar, da bis auf einen, schwefelhaltigen See alle Gewässer trinkbar sind. Alles andere jedoch – Verpflegung, Zelt, Schlafsack, Gaskocher – muss mitgenommen werden, es befinden sich nämlich keine Siedlungen im Park. Darin besteht u.a. der Reiz des Nationalparks: Wandern mit minimalem Gepäck – es muss alles selber getragen werden. Fünf Tage zu wandern und dabei höchstens ein oder zwei Mal ein anderes kleines Wandertrüppchen zu treffen! Ansonsten ist man völlig fern von jeglicher Zivilisation und genießt ohne Grenzen die atemberaubende Natur. Wer weniger fuß- oder tragfest ist, kann für den ersten oder letzten Tag Maultiere mieten – der Rest muss in jedem Fall gelaufen werden.

Na, habt ihr Lust bekommen?!? schneebedeckte Gipfel und Frailejones im Tal War einer von euch schon mal da, und welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Vor allem in Bezug auf die schwindenden Gletscher empfehle ich euch, möglichst bald den Abstecher zum Cocuy zu machen… Mit Bergführer ist es kostspieliger als andere Ausflüge, aber sicher empfehlenswert – in einer größeren Gruppe ist es auch billiger. Ich jedenfalls fand, das es das Geld wert war!

Weitere Informationen über den Nationalpark El Cocuy bekommt ihr bei der kolumbianischen Nationalparkverwaltung (spanische Webseite, Email pnncocuyjp@yahoo.com und pnncocuy@hotmail.com), dem Kultur- und Tourismussekretariat von Boyacá (0057-8-7426547 und 0057-8-7423179), Pablo und Cándido Torres (Handy 0057-3112320724 und 0057-3104945016) oder dem Bergführer Miguel Herrera (Handy 0057-3123393984 – ich selbst habe keine eigene Erfahrung mit ihm).

Informationen zur Höhenkrankheit findet ihr bei Wikipedia, unter www.trekkingguide.de oder www.weltinfo.com.