Contratación – die Lepra-Stadt ist erwacht

Lepra hielten wir im letzten Jahrhundert für direkt ansteckend. Bis genaue medizinische Erkenntnisse über Lepra im kolumbianischen Hinterland ankommen sollte, musste aber viel Zeit vergehen. Contratación ist geprägt von der Lepra Erkrankung, denn dank ihr mussten die Einwohner lange leiden aber dafür verfügen sie heute über eine einzigartige Geschichte. Die Geschichte von Contratación.

Lepra – der Anfang der Geschichte

Anfang des Jahrhunderts war Lepra eine gefürchtete Krankheit, die Erkrankten wurden aus Unwissenheit aus ihren Gemeinden in ganz Kolumbien gejagt und hatten einen Zufluchtsort in den Anden für sich ausgemacht. Es entstand eine Ansiedlung von ein paar Häusern. 1912 wurde das Dorf offiziell zu einer Gemeinde ernannt: Contratación. Doch mit der offiziellen Anerkennung kam auch ein Unheil in das Dorf. Um das Dorf wurde eine Mauer angelegt und zahlreiche Wachposten installiert. Das Ziel: keiner der Einwohner durfte den Ort verlassen, aus Angst vor Ansteckung.

Doch wie sollte ein Dorf hinter einer Mauer überleben? Es bestand der Bedarf von öffentlicher Ordnung, eine Einfuhr von Lebensmitteln, etc… Der kolumbianische Staat nahm sich das Problem an und organisierte einen „Staat im Staat“, Contratación bekam eine eigene Währung, die die Ortsgrenzen nicht passieren durften.

Die Post inspizierte und säuberte jeden ausgehenden Brief, die Polizei wurde größtenteils von den Kranken selbst gestellt. Die Bereitschaft in das Dorf zu gehen war sehr gering, auch gesunde Menschen, die einmal die Mauer passierten durften auf Lebenszeit nie wieder raus. Einige Ärzte, Nonnen und Mönche nahmen sich den Kranken trotzdem an.

Die Mauer fallen

So vergingen Jahrzehnte, bis heute ist unklar wie Lepra übertragen wird, aber der Kontakt mit Erkrankten spielt keine Rolle. 1970 entschied daher die kolumbianische Regierung die Mauer zu öffnen. Die Leprakranken von Contratación waren endlich frei. Die meisten kehrten in ihre Heimat zurück, die sie viele Jahre nicht gesehen hatten, aber einige blieben.

Sowohl aus Angst in der Heimat nicht akzeptiert zu werden als auch im Gewissen in Contratación sein soziales Umfeld gefunden zu haben. Außerdem war die medizinische Betreuung besser als sonst wo in Kolumbien. Auf die heutigen 4.000 Einwohner fallen 350 Angestellte des Krankenhauses. Und nicht nur die Quantität stimmt, auch die Qualität, der kolumbianische Staat investiert hohe Gehälter in das Krankenhaus um gute Ärzte in das Andendorf zu locken. So viel Geld, dass die Gehälter aus Angst vor Überfällen auf dem Weg ins abgelegene Contratación mit dem Helikopter in die Bank gebracht werden.

Die Überfälle der Guerilla

Doch auch das angekommene Geld sollte nicht sicher sein. Abgelegene Orte mit Geld sind das bevorzugte Ziel der illegalen Gruppen in Kolumbien. Bis 1970 schützte die Mauer und die Krankheit der Einwohner das Dorf vor Überfällen, dass sollte sich nach dem Wegfall allerdings ändern. Vier mal wurde die Stadt von der FARC, der größten Guerillagruppe des Landes eingenommen. In den Jahren 1986, 1990, 1997 y 1998 war dies der Fall. Und jedes mal war das Ziel die einzige Bank der Stadt zu plündern. Die Guerilleros kamen dazu in den Abendstunden und blieben nur wenige Stunden. Sie sprengten mit ihrem mitgebrachten Dynamit die einzige Bank des Dorfes und machten reichlich Beute. Zum letzten mal 1998, seitdem ist die Bank nicht wieder aufgebaut und heute noch eine Ruine. Nachdem zuvor die ca. 10 Polizisten den 100 bis 300 Guerilleros nichts entgegensetzen konnten installierte der kolumbianische Staat im Jahr 2000 eine Militärbasis, seitdem kam es zu keinem Guerilla Überfall mehr.

Was geblieben ist, ist die Angst. „Seit sieben Jahren habe ich keine Nacht mehr in Contratación verbracht“ sagt mir Beatriz, als ich sie frage, ob sie mir nicht ihre Heimat zeigen will. Alpträume verfolgen nicht nur sie sondern viele der damaligen Bewohner der Stadt. Als wir den Ort kennen lernen bin ich umso glücklicher, dass sie über ihren eigenen Schatten gesprungen ist, denn neben einer einzigartigen Geschichte hat Contratación einiges zu bieten. Der Ort liegt umgeben von Bergen auf etwa 1500 Meter Höhe und hat ein sehr angenehmes Klima, nicht zu heiß und nicht zu kalt. Das trifft auf viele Orte Kolumbiens zu, jedoch ist Contratación aufgrund der schlechten Straßenverbindungen nur sehr schlecht zu erreichen, zur nächsten Stadt Socorro sind es drei Stunden auf einer Schotterpiste. Drei mal täglich verbindet ein alter Bus Contratación mit der Außenwelt, Autos habe ich in dem Ort nur zwei gesehen, dazu ein paar Motorräder und vor allem Pferde. Die Uhr scheint stehen geblieben zu sein.

Ankunft in Contratación

Bei meiner Ankunft erwartet uns Isabel, die beste Freundin von Beatriz, seit fünf Jahren haben sie nur per Mail und Handy kommuniziert, die Freunde ist riesig.

Wir erkunden den Ort und die Umgebung, der Ort verfügt über zwei Schulen, das besagte, gut ausgestattete Krankenhaus, einen Hauptplatz in dessen Zentrum die Münzen der „Contratación Währung“ als Denkmal verewigt wurde sowie eine Kirche, die Anfang des Jahrhundert von deutschen Missionären gebaut. „Daher hat dir Kirche auch einen spitzen Turm“ erklärt mir Beatriz, üblich ist in Kolumbien der viereckige Turm, den die Spanier bevorzugten.

Neben den Missionären wurde eine deutsch-kolumbianische Hilfe aufgebaut, die Contratación unterstützte. Die letzten Deutschen verließen vor etwa zehn Jahren den Ort. Doch ihre Spuren bleiben erhalten. Jedes zehnte Kind, dass ich auf der Straße sehe hat blondes oder braunes Haar…

Der Berg der Jungfrau

Zum Standardprogramm eines Contratación Besuches gehört auf alle Fälle die Besteigung des „Cerro de la Virgen“, der Berg der Jungfrau. Ein Weg führt steil hinauf zu einer riesigen Jungfrau Maria Statue. Die Missionäre der Salesianer Don Boscos – die ebenfalls viele Jahrzehnte in Contratación blieben – errichteten das Denkmal. Von oben gibt es einen Panoramablick, auf Contratación sund in alle Himmelsrichtungen. Und wer ein bisschen Adrenalin verspüren will, der kann noch höher hinauf. Der nahestehende Telekommunikationsturm darf zwar nicht, kann aber bestiegen werden, ein Loch im Zaun macht es möglich…

Die Tigerhöhlen

Etwa eine Stunde (zu Fuß) von Contratación entfernt liegt la Cueva del Tigre – die Tigerhöhle. Die Höhle liegt hinter einer Finca deren Bewohner, die 1000 Pesos (40 Cents) Gebühr verlangen. Einen Weg bis zur Höhle gibt es allerdings nicht. Wir irrend erst einmal 20 Minuten durch die Kaffeepflanzen der Finca bis wir schließlich den Höhleneingang finden. Wir steigen hinab in das dunkle Unbekannte. Zahlreiche Fledermäuse fliegen uns entgegen, dann entdecken wir einen weiteren Höhleneingang in noch tiefere Gemächer. Es wird immer enger, unsere Kleider bekommen es zu spüren. Irgendwann geht es nicht mehr weiter, wir malen uns mit dem Schlamm Figuren auf das Gesicht machen einige Fotos, bevor wir uns zurück an den Höhleneingang kämpfen.

Lepra mag nicht ansteckend sein, Contratación ist es auf alle Fälle. Das war mit Sicherheit nicht der letzte Besuch. Die Herzlichkeit der Einwohner, die Ursprünglichkeit des Dorfes und die einzigartige Geschichte machen es zu einem sehr reizvollen Reiseziel in Kolumbien.

Solltet ihr Interesse haben Contratación kennen zu lernen, so könnt ihr den Guide Orlando kontaktieren, seine Handynummer ist 3114486834, über eine E-Mail Adresse verfügt er leider nicht.