„El caminante de la paz“ in Bogota

Gustavo Moncayo am Plaza BolivarNach 46 Tagen und ca. 1000 gelaufenen Kilometern hat er es geschafft. Gestern Nachmittag um 16 Uhr traf Gustavo Moncayo in der Hauptstadt ein – und ich durfte dabei sein:

Schon beim Verlassen der Transmilenio-Station am Goldmuseum ahne ich, wie viele Menschen gekommen sind, um Gustavo Moncayo zu begrüßen. Der Friedensläufer (caminante de la paz) oder „Profe“, wie er hier liebevoll gerufen wird, machte sich am Vatertag auf den Weg, um durch seinen langen Marsch seinen Sohn zu befreien – und wahrscheinlich auch ein bisschen sich selbst. 10 Jahre lang (seit dem ist sein Sohn Pablo in den Händen der Farc) müssen sich die unterschiedlichsten Gefühle in Gustavo angestaut haben.

Langsam schiebe ich mich die 7. Straße hoch in Richtung Plaza Bolivar. An einer der Hauptverkehrsstraßen Bogotas stehen bereits hunderte Menschen mit Plakaten „Humanitäre Lösung – Jetzt!“ und schwenken Friedensfahnen – die Verkäufer von Trillerpfeifen feiern Hochkonjunktur. Am Hauptplatz sind zahlreiche Kamarateams, die schon seit Stunden dort zu warten scheinen, eine Bühne ist aufgebaut, vor der Menschen mit Bildern von entführten Freunden und Verwandten stehen. Die Balkone des Parlaments sind voll. Schon jetzt bekomme ich Gänsehaut.

Bereits vor zwei Wochen trieben mir das Mitgefühl der Kolumbianer (und meines) mit den Familien der Geiseln und die Solidarität zu Gustavo Moncayo die Tränen in die Augen. Im ganzen Land gingen die Menschen auf die Straße, um ihre Meinung zu bekunden und den Friedensläufer zu unterstützen. Wie wird es nun sein, wenn der Profe gleich, nach so langer Zeit endlich sein Ziel erreicht?

Immer mehr Polizisten erreichen den Plaza Bolivar und eine Frau neben mir fragt ganz aufgeregt, wann denn nun endlich der Profe käme. „Gleich“ sagen sie „Hinter den Ambulanzen“. Immer mehr Demonstranten kommen die 7. Straße hoch. Mit T-shirts von Gustavo, Fotos ihrer Angehörigen und Plakaten für eine humanitäre Lösung laufen sie – immer wieder rufend: „Das Dorf Kolumbien steht hinter Dir“! Plötzlich gibt es dichtes Gedrängel, die Polizei schubst die Wartenden zur Seite – und dann ist er schon an mir vor bei gegangen, ohne das ich ihn gesehen habe. In der Mitte der Straße schubsen die Menschen Gustavo förmlich bis zur Bühne.

Dort oben angekommen wird der „caminante de la paz“ gefeiert wie ein Volksheld – denn zu einem Solchen ist er in den letzten Wochen geworden. Meine Tränen der Rührung lassen sich kaum noch zurückhalten, als er von seinen Erlebnissen der Reise berichtet: Ein Mann, der nach langer Krankheit nicht mehr laufen konnte, war so beeindruckt und motiviert von der Reise Gustavos, dass er nach seinem Besuch aufstand und ein paar Schritte ging. Der Profe berichtete auch von Kinderarbeitern, die unbedingt ein Foto mit ihm machen wollten und von sozial-schwachen Familien, die ihn und alle die mit ihm liefen (Polizei, Reporter, Krankenschwestern, Familien von anderen Geiseln) zum Essen einluden.

Gustavo präsentiert stolz seine jüngeste Tochter Yuri, die ihn die komplette Strecke (erst zu Fuss und später nach einem Zusammenbruch im Auto) begleitete.

Abends lud der Bürgermeister von Bogota den Profe dann zu sich ein. Die Bilder von diesem Treffen kann ich abends im Fernsehen betrachten und zum ersten Mal, seit dem ich die Geschichte von Gustavo verfolge sehe ich ihn, wie er all seinen Emotionen und Gedanken der letzten Wochen, Monate und Jahre freien Lauf läßt und weint. So lange sei er gelaufen, aber sein Sohn ist immer noch nicht wieder bei ihm.

Nach einer Nacht auf dem Plaza Bolivar, die er dort in einem Zelt mit seiner Familie verbrachte, trifft er heute Vormittag den Präsidenten Alvaro Uribe. Ich bin sehr gespannt, wie Gustavos Geschichte weitergeht und werde über Neuigkeiten weiter berichten.