San Andres wieder ein Grenzproblem Kolumbiens?

San Andres InselMitte März 2008 erklärte der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega, 200 nautischen Meilen als spezielle ökonomische Fischfangzone für sein Land. Damit wird der gewöhnliche Meridian 82, die Meergrenzzone die seit 1928 im Vertrag Esguerra-Barcenas zwischen Nicaragua und Kolumbien vereinbart wurde überschritten.

Überdies hatte sich in Dezember 2007 der Internationale Gerichtshof in Den Haag zum ersten Mal angesichts den Antrag von Nicaragua geäußert, sechs Jahre nach dem Nicaragua die Souveränität über die Inseln von San Andres, Old Providence und Santa Catalina im Jahr 2001 bei ihm verlangte und damit den Vertrag von 1928 für nichtig erklärte. Der Internationale Gerichtshof erklärte sich zuständig in diesem Fall, bestätigte die Gültigkeit des Vertrages von 1928 im Sinne der kolumbianischen Souveränität über den Archipel, lehnte aber den 82en Meridian als Meeresgrenze ab, ohne sich endgültig über die ökonomische Meeresgrenzzone zwischen beiden Ländern zu äußern.

Was liegt dann hinter dem nicaraguanischen Verhalten? Es geht hier nur um noch ein Beispiel, in dem das Zentralamerikanisches Land die internationalen Verträge einfach ignoriert? Wie versteht der venezolanische Präsident Chavez sein ziemlich aufgedrängtes Angebot, die Vermittlungsrolle zwischen beiden Ländern zu spielen, nach dem er selbst mit Kolumbien diplomatische Schwierigkeiten hatte?

Kleine Insel dicht bewohnt

Der Archipel mit drei bevölkerten Inseln (San Andres, Old Providence und Santa Catalina) und mehrere kleine Inseln liegt ungefähr 480 km westlich von Kolumbien entfernt und nur 200 km östlich von Nicaragua. Nach Angaben von Elizabeth Taylor, Direktorin der regionalen Umweltbehörde, Coralina, jährlich werden 350.000 Touristen in San Andres empfangen. Da aber die Entwicklung der Inseln beschränkt ist, gibt es keine Fünfsterne Hotels, und werden auch nicht gebaut. In Coralina wird der Ökotourismus als die beste Möglichkeit die Inseln vom Umweltchaos zu retten vorgesehen. Besonders Old Providence bietet jetzt die Möglichkeit, diese Orientierung zu verwirklichen. Hoyo Soplador (Sehenswürdigkleit südostlich der Insel)

Aber es ist nicht leicht. Eine der Schwierigkeiten vom Archipel ist der rapide Bevölkerungszuwachs: in 2003 hatte San Andres 78.000 Einwohner, die nur in dieser Insel mit 27 qkm (der Archipel hat insgesamt 57 qkm Landfläche) eine Dichte von 2.889 Personen per 1qkm entsprach (in Kolumbien die Bevölkerungsdichte ist 78 mal kleiner als im Archipel: 38 Personen per 1qkm). Die Geburtsrate im Archipel ist die Drittkleinste in Kolumbien, jedoch wächst die Bevölkerung doppelt so viel wie im ganzen Land. Trotz dem Verbot vom 1991 in den Inseln einzusiedeln, das Problem wird noch in der internen Migration, vom Kontinent in die Inseln, gesehen.

San Andres ist nach der Expertin Marion Howard von der Brandeis University, die sechst am dichtesten bevölkerten Inseln der Welt; die ersten fünf haben aber im Vergleich zu San Andres, direkte Verbindungen (Infrastruktur, Brücke u.a) zu größeren Landflächen und damit zu natürlichen Ressourcen.

Tourismusort und UNESCO MAB Reserve Seaflower

Begrenzter Raum, ungenügende Ressourcen und Umweltzwänge sind Grund genug um die Wasserversorgungs-, die Wasserleitungs- und die Abfallentsorgungsproblematik der Inseln zu verstehen. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Bevölkerungssektoren ist daher für die Umweltbehörde Coralina angesagt, um die im Jahr 2000 erklärte MAB Reserve Seaflower entsprechend zu halten. Es geht um 300.000 qkm, also 10% vom karibischen Meer. Davon wurden im Jahr 2005 65.000 qkm als geschützte Meeresfläche erklärt, wo sowohl Fischfang- als auch Tourismusverbote bestehen u.a. Ein Beispiel der ökologischen Bedeutung der Region ist die Insel Providencia (Old Providence) zu nennen, die nach Angaben von der Zeitschrift Nature die zweitgrösste Koralenbarriere in den Amerikas hat.

Sonnenaufgang in San AndresSchritte in eine verträgliche Entwicklung zeigen, dass es nicht leicht ist, besonders die Hoteleigentümer und Tourismusagenturen darüber zu überzeugen. Vor der Entstehung der Umweltbehörde (1993) entschieden sie ihr Wachstum ziemlich autonom, vor allem was der Umweltverträglichkeit ihrer ökonomischen Aktivität anging. Mitte der 90er Jahren wurden sogar Hotels zwei Monate geschlossen, bis sie die Wasserentsorgungsnormen berücksichtigten. Die Infrastruktur der Insel hilft aber auch nicht: sie wurde weder für eine so große Bevölkerung noch für solche Tourismusmassen gedacht! Mit den Fischern erfolgte die Umweltaufgabe allmählich: Fischfang wird nur ohne Fischernetze erlaubt. Aber die Probleme der Stromversorgung und der Müllentsorgung sind auch noch nicht gelöst. Im Jahr 2010 muss die Entscheidung für alternative Stromversorgungssysteme getroffen werden. Allerdings sagt Elizabeth Taylor, Direktorin von Coralina, sobald es keine harte Massnahmen bezüglich der Bevölkerungspolitik getroffen werden, sind die Aussichten nicht klar.

Englische und Sklavenherkunft

San Andres und Providencia wurde von englischen Puritanern 1629 entdeckt. In 1630, einige Monate später erreichte die Inseln das Schiff Seaflower mit den ersten 100 Besiedlern, die direkt von London gesandt wurden. Dies erklärt, dass San Andres und Providencia, das einzige kolumbianische Department ist, wo Englisch als Hauptsprache erkannt wird. Allerdings sprechen die heutige „raizales“, d. h. die die dort ihre Abstammung haben und dort geboren sind, ein kreolisches Englisch. Die meisten sind Nachkommen von ehemaligen Sklaven, die den Protestantismus und den puritanischen Werten treu bleiben.

Die Grenzproblematik

San Andres (Foto Coralina)Seit 1802 wurde San Andres und Providencia der damaligen spanischen Kolonie von Neu-Granada (die heute Panama, Kolumbien, Venezuela und Ecuador entspricht) annektiert. Nach der Unabhängikeitserklärung von 1810 hatten sich die neue Staaten gezwungen nach dem Prinzip utti possedettis juris die Grenzen zwischen ihnen zu berücksichtigen, die davor gültig waren.

Die damalige Fläche von Gran Colombia (Ecuador, Kolumbien, Venezuela und Panama) lief bis die Mosquito Küste in die Karibik (heute von Nicaragua) hin. Aber 1839 hatte schon Nicaragua den König der Niederlanden bewilligt im Jahr 1890 ein Kanal zu bauen, die vom Nicaraguas See bis ein Ort in der Mosquito Küste (von Kolumbien) laufen würde. 1860 unterzeichnete Nicaragua auch ein Vertrag mit England, die die Unabhängigkeit der Mosquito Küste erleichtern sollte. Nicaragua würde jährlich dem König 50.000 Dolars bezahlen. 1890 überfiel Nicaragua zwei kleine Inseln des Archipels (Islas Mangle – Mangroven Inseln), die später den Nordamerikaner für 99 Jahre mietete. Damals suchten dringend die Amerikaner ein Weg in die Pazifikküste, während der Franzose Ferdinand de Lesseps für Kolumbien am Panamakanal arbeitete. 13 Jahre später, 1903 erklärte Panama mit der Unterstützung der Amerikaner seine Unabhängigkeit.

Gegenüber den Überfall auf die Islas Mangle reagierte Kolumbien mit schriftlichen Protestaktionen, die jedoch nur 1928 im Vertrag Esguerrra-Bárcenas endete (zumindest das war gedacht). In diesem Vertrag gab Kolumbien Nicaragua die Souveränität über die Islas Mangle und die Mosquito Küste, während Nicaragua Kolumbien die Souveränität über den Archipel von San Andres, Providencia und Santa Catalina erkannte. Als Meeresgrenzzone zwischen Nicaragua und den Archipel wurde der 82er Meridian vereinbart.

Daniel Ortega will aber diese lange Geschichte nicht erkennen. Schlimmer noch ist die Erklärung der ökonomischen Fischfangzone über diese Grenze: die Seaflower Reserve könnte damit beeinträchtigt werden und damit auch die Verträglichkeit der Region. Experten sagen Kolumbien könnte damit protestieren und sich von den Verhandlungen am Internationalen Gerichtshof einfach zurückziehen.

Quellen:
Elizabeth Taylor, Direktorin von Coralina, Regionale Umweltbehörde: www.coralina.gov.co
Geschichte:
Credencial Revista. Las pretenciones de Nicaragua sobre San Andrés. Su demanda ante la corte internacional de justicia. In http://www.banrep.gov.co/blaavirtual/revistas/credencial/mayo2003/raro.htm
Rengifo Lozano Antonio, et.al. La demanda de Nicaragua contra Colombia ante la Corte Internacional de Justicia. UNperiódico In http://unperiodico.unal.edu.co/ediciones/97/08.html
El Tiempo. Editorial. 17. März 2008.
Shrope Mark. Providential Outcome. In: Nature. Vol 451. 10 January 2008