Moncayo, sein Weg ist der Weg einer Nation
„Wanderer, der Weg wird beim Gehen gemacht“, die Strophe dieses beliebten Liedes könnte auch für Gustavo Moncayos Marsch gelten. Als vor knapp 10 Jahren die FARC seinen Sohn entführten begann der lange Leidensweg dieses einfachen Lehrers aus dem Südwesten Kolumbiens. Er wurde einer der Vielen in Kolumbien, denen ein lieber und naherstehender Mensch weg genommen wurde. Menschen, die von der Guerilla ohne Anklage, ohne Urteil, ohne Besuchsrecht und ohne zu wissen, wie lange sie gefangen gehalten werden in den Urwäldern „weg gesperrt“ werden.
In den zehn Jahren seit der Entführung von Gustavos Sohn gab es Tage der Hoffnungen und Versprechen. Während der Zeit des Präsidenten Pastrana, der es sich zum Ziel gemacht machte, mit der FARC Frieden zu schließen, schienen Gustavo und die Kolumbianer endlich am Ziel ihres Weges um Frieden und Ende von Geiselnahme und Terror zu sein. Pastrana ging auf die Forderungen der Guerilla ein, zog das Militär aus den Gebieten, die die Guerilla benannte zurück. Es wurden einige Geiseln frei gelassen und auch Gustavo Moncayo schöpfte Hoffnung. Er durfte sich, wie auch andere Angehörige von Entführten, mit Raul Reyes und Tirofijo, den großen Köpfen der FARC treffen und um seinen Sohn bitten. Die Verhandlungen führten leider zu keinem Erfolg. Es wurden keine weiteren Geiseln frei gelassen. Die Entführungen gingen weiter, die Guerilla nutzte den Rückzug des Militärs und besetzte ihrerseits die Gebiete. Viele Kolumbianer wurden aus ihren Träumen gerissen. Der Weg ging weiter.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen wandte sich die Nation dem Kandidaten zu, der eine Rückeroberung des Landes aus den Händen der Guerilla versprach. Uribe wurde Präsident, die Guerilla zurück gedrängt. Die Gesellschaft fühlte sich befreit, aber es fehlten die Entführten. Ihr Schicksal schmerzt die Nation. Zumal sich Regierung und FARC in ihren Positionen festrannten und nicht aufeinander zugehen wollen. Das Volk wurde in der Frage der Freilassung der Geiseln zur schweigenden Mehrheit.
Gustavo Moncayo wollte nicht schweigen. Nur in Begleitung seiner Tochter begann er den gut 1000 km langen Fußweg von seinem Dorf in die Hauptstadt Bogota. Hier wollte er mit der Regierung sprechen. Wenn er könnte, würde er auch mit der FARC sprechen, so wie einst im entmilitarisierten Gebiet. Aber mit der FARC ist jetzt nicht zu sprechen. Der einsame Marsch fand schnell eine breite Unterstützung und wurde zu einem symbolischen Volkslauf. Gustavo läuft nicht nur für die schweigende Mehrheit, er verleiht ihr auch eine Stimme.
Es ist die Stimme der verzweifelten Angehörigen und eines solidarischen Volkes. Sie wollen die Geiseln jetzt frei. Sie wollen die Leichnahme der in der Geiselhaft verstorbenen jetzt zurück. Sie wollen ein Ende der Entführungen. Staatsräson ist ihnen nicht glaubhaft. Viel zu lange haben die Kolumbianer Erklärungen ihrer Regierungen und der FARC zu hören müssen, wie sie den Willen zur baldigen Freilassung hätten, wenn …
Es ist eine ungemütliche Stimme, denn sie verlangt Taten statt Worte. Schon kommen die ersten, die versuchen den einfachen Lehrer in eine politische Ecke zu drängen. Der Marxismus Vorwurf bietet sich prima an um den kleinen Mann aus dem Südwesten bedrohlich wirken zu lassen. Er selber antwortet darauf, dass seine politische Partei die Humanitäre Lösung sei. Oder der Vorwurf, dass seine Vorstellungen naiv und nicht durchdacht seien.
Der Versuch, Gustavo Monacayo in eine politische Ecke zu drängen, als den Spielball irgendwelcher heimlicher Interessengruppen darzustellen, zeigt, dass manche immer noch nicht begriffen haben, dass Moncayo die Menschen einigt, weil seine Botschaft klar ist: Freiheit der Geiseln, Ende der Geiselnahmen, Ende des Taktieren, keine Politik! Das ist der Wunsch des Souveräns, das kolumbianische Volk: Er ist klar, über lange Jahre durchdacht und frei von politischen Interessen an alle Parteien gerichtet.
Es wird bewusst, dass Gustavos Weg noch weit und steinig ist. Regen, Hitze, Kälte, Berge, Flüsse und Blasen an den Füßen waren Hindernisse, die seine Willenskraft bezwingen konnte. Aber Betonköpfe zur Öffnung neuer Horizonte zu bewegen ist eine Aufgabe, die er alleine nicht mehr bewältigen kann.
In Kolumbien geniesst er große Unterstützung, dass erzeugt Druck auf die politische Führung, aber nicht auf die FARC. So muss sein Weg weiter gehen, dorthin wo ihm die FARC auch zuhören muss. Ursprüngliche wollte er auf dem Plaza Bolivar bleiben, bis sein Sohn frei kommt. Mittlerweile ist klar, dass er hier nur mit einer Partei spricht.
Die FARC reagiert eher auf internationalen Druck, besonders auf europäischen. Hier konnte die FARC durch gute PR-Arbeit über Jahre das Bild aufbauen , die rechtmässigen Vertreter der einfachen Kolumbianer, der Mehrheit in diesem Lande zu sein. Daher wird Gustavo, so der Plan, im September von Brüssel nach Paris laufen. Sein Marsch soll der europäischen Meinung bewusst machen, dass die Kolumbianer Frieden liebende Menschen und in dieser Sache ihre eigenen Sprecher sind. Die FARC soll sich den Vorschlägen stellen und sagen, wann die Geiseln frei kommen, wann die Körper der unter ihrer Verantwortung verstorbenen Geiseln den trauernden Angehörigen zurück gegeben werden.
Ein weiterer Marsch in den USA soll auch der amerikanischen Öffentlichkeit bewusst machen, dass die Menschen in Kolumbien nicht alleine gelassen werden dürfen, als Spielball zwischen einer Gewaltverherrlichenden FARC und einer sturen Regierung oder des beginnenden amerikanischen Wahlkampfs. Drei der FARC-Geiseln sind amerikanische Staatsbürger.
In diesem Blog werden wir dazu aufrufen, seine Märsche durch Unterschriften zu unterstützen und Kolumbianer und Kolumbienfreunde in Europa und den USA bitten, ihn auf seinem Marsch zwischen Brüssel und Paris zu begleiten, ganz oder streckenweise.