Araujo: Vertreterin eines Unrechtregimes?

Consuelo AraujoMit dieser fast gleich lautenden Frage machen einige Zeitungen auf den Staatsbesuch der kolumbianischen Außenministerin aufmerksam. Gezeigt wird das Bild einer jungen Frau, die – oh Wunder – nett lächelt und dezent gekleidet ist. Die Schreiber haben wohl eine Waffenstarrende Zuchthauswärterin erwartet, die sicher in Begleitung zweier mörderischen Doggen posierend, ihr Kolumbien-Bild am besten wieder gegeben hätte.

Sie halten Consuelo Araujo, der kolumbianischen Außenministerin, vor, es während des Krieges der kolumbianischen Regierung gegen die Bevölkerung, zu ihrem Amt gebracht zu haben, hier einige Beispiele:

LinksZeitung
thecaravan.org

Grund für die Beförderung wird auch mitgeliefert: Ihre Familie! Diese soll in engster Zusammenarbeit mit den rechten Paramilitärs „über Leichen gehen“. Super! Wussten wir es doch: Kolumbien!

Reden wir also von Bildern:

1. Unrechtsregime: Kolumbien ist die älteste und stabilste Demokratie Latein-Amerikas. Rojas Pinilla war der bisher einzigste Putschist und Diktator, der Kolumbien regiert hat. Er wurde nach fast vier Jahren vom Volk aus dem Amt gejagt! Seine Amtszeit ging von Juni 1953 bis Mai 1957.
Davor und danach wurde alle vier Jahre der Präsident gewählt. Auch der derzeitige Präsident Uribe Velez wurde 2002 zum ersten Mal in sein Amt gewählt. Sein Wahlergebnis war so gut, dass es keiner Stichwahl bedurfte. Durch eine Änderung der Verfassung wurde der Weg für eine zweite Amtszeit Uribes frei gemacht. Aber: anders als oft behauptet, wurde über die Verfassungsänderung vom Parlament befunden, nach dem das kolumbianische Verfassungsgericht es auf seine verfassungsmäßige Unbedenklichkeit geprüft hatte. Also nicht mit militärischen Mitteln wie so mancher Orts suggeriert wurde. Immer noch ein Unrechtsregime?

2. Militarisierung: Uribe Velez konzentrierte sich von Anfang an auf die Politik der Nationalen Sicherheit. Man liest in ausländischen Zeitungen, dass er das Land militarisierte. Das kann man so oder so sehen. Er verlangte, dass die Staatskraft Gesicht zeigen. Gerade während der Amtszeit seines Vorgängers Pastrana hatte sich das Militär zurück gezogen, ganze Landstriche geräumt, um die Vorbedingungen der Guerilla für Friedensgespräche zu erfüllen. Daraus wurde leider nichts. Die Leidtragenden: die Menschen auf dem Land, die nun entweder mit der Guerilla zusammen arbeiten oder ihr Land räumen mußten. Wenn nicht …

Die Abwesenheit des Staates in den weit entlegenen Teilen des Landes hat historisch dazu geführt, dass sich hier die Guerilla niederließ. Die Antwort darauf waren die rechten Paras. Sie machten den Guerillas den Platz streitig, überall wo sich der Staat nicht zeigte oder zurück zog. Die Leidtragenden: immer die Gleichen…

Daher schickte Uribe das Militär raus aus den Kasernen, erhöhte ihre Zahl und gab ihnen Ausrüstung, mit der sie nicht schon von Anfang an den, dank Drogengelder hoch gerüsteten Paras und Guerillas unterlegen waren. Die Folgen: Das Land wurde sicherer und die Leute trauten sich wieder aus den Städten. Auch Kleinbauern konnten ihre Äcker bebauen und ihre Ware wieder in die Märkte fahren. Das ist das Bild, das wir Kolumbianer haben und das die Besucher Kolumbiens mitnehmen. In der Mehrzahl der ausländischen Presse liest sich das so: rechts gerichteter Präsident militarisiert das Land. Kolumbien eben!

3. Gewalt: Dieses Kapitel ist viel zu ernst und traurig um Bilder davon zu zeichnen. Obwohl es sich in den Teilen, in denen der Staat durch das Militär präsent ist, sehr sicher leben läßt, kann die momentane Situation nicht toleriert werden. Die verantwortlichen für den Blutzoll der Bevölkerung heißen: Paras, Guerillas und mit den Paras zusammen arbeitende Politiker und Militärs. Alle, so sieht es aus, werden vor allem vom Kokain getrieben: Drogengeld, Drogenmärkte, Drogenproduktion usw. Alle anderen Erklärungen für den bewaffneten Kampf sind heute leider Rauchwolken um die Wahrheit im Dunkeln zu halten.

Es schmerzt, wenn mit der Zahl der Toten politische Spiele getrieben werden. Aber da diese anläßlich des Besuches der kolumbianischen Aussenministerin benutzt wird um das Bild eines Unrechtregimes zu zeichnen, gehe ich hier kurz darauf ein:

Die stistische Zahl von 7 täglichen Toten wegen des militärischen Konflikt in den Jahren von 2002 – 2006 (also Uribes erster Amtszeit) ist traurige Wahrheit . Diese Zahlen wurden von der nicht staatlichen Organisation „Comisión Colombiana de Juristas“ ermittelt. Falsch ist die Behauptung sie seien alle „Kosten“ des Krieges der kolumbianischen Regierung gegen das Volk. In der gleichen Mitteilung gibt die Comisión Colombiana de Juristas bekannt, dass für diese schreckliche Zahlen die Paras zu 61%, die Guerillas zu 25% und staatliche Einheiten zu 14% verantwortlich sind. Siehe coljuristas.org . Es kann und soll sich keiner reinwaschen! Es erscheint zynisch und Menschen verachtend, eines Klischees wegen Zahlen in einem solch falschen Zusammenhang hin zu stellen.

4. Unterwanderung der staatlichen Einheiten durch die Paras: Ja sie gibt es. Und niemand ist mehr besorgt darüber als die Kolumbianer selbst. Es hätte schon lange ein Skandal deswegen geben müssen. Aber in dem „Unrechtsregime Kolumbien“ kann ohne juristsich haltbare Beweise nicht gesetzlich verfolgt werden. Diese Verbindungen zwischen Paras und Politikern, Militärs, Viezüchtern, Industriellen usw. gab es schon seit es die Paras gibt. Es gab auch Verbindungen von Pablo Escobar, dem berüchtigten Drogenbaron, zu all diesen Gruppen und sogar zu den Guerillas. Aber Beweise gab es nicht. Paradoxerweise wird während der Amtszeit Uribes, den manche gerne als verlängerten Arm der Paras zeichnen wollen, zum ersten Mal genügend Beweismaterial über diese Verbindungen zusammen getragen und veröffentlicht. Uribe entläßt die ersten Generäle, deren Namen die Armee in Verbindung mit Gräueltaten der Paras bringen.

Im „Unrechtsregime“ Kolumbien gibt es keine Sippenhaft. Consuelo Araujos (die Aussenminister) Bruder Alvaro Araujo werden Verbindungen zu den Paras vorgehalten. Die Staatsanwaltschaft verfügt über Dokumente in denen sein Name mehrmals auftaucht. Diese Dokumente entstammen dem Besitz von Jorge 40, einem der gewaltätigen Köpfe der Paras. Er sitzt u.A. wegen Auftrag zu Massenmorden vor Gericht. Aus den Dokumenten geht aber nicht hervor, dass Alvaro Araujo an diesen Taten beteiligt gewesen ist oder davon gewußt hat. Daher hat die Staatsanwaltschaft auch noch keine Anklage gegen ihn erhoben, nur in der Angelegenheit befragt.

Gerade die Oposition in Kolumbien fordert den Rücktritt der Ministerin. Es ist ihr gutes politisches Recht, aber außer dass der Name ihres Bruders in den Dokumenten eines gefürchteten Para-Führers auftauchen, kann man nichts gegen sie sagen. Im Gegenteil: Ihre Karriere ist beeindruckend. Sie hat erfolgreich ihre Studien in Finanzen und Internationale Beziehungen abgeschlossen, ist Postgraduierte in Regierungsmanagement und politischen Angelegenheiten, leitete den Botanischen Garten Bogotas und die Sport- und Freizeitbehörde der Stadt, bevor sie zur Kultusministerin während Uribes erster Amtszeit ernannt wurde. 2003 wurde sie als bisher einzige Kolumbianerin vom „World Economic Forum“ als eine der 100 „Global Leaders of Tomorrow“ ausgezeichnet. Darf so eine Vertreterin Kolumbiens aussehen?

Ich bin Kolumbianer, habe Uribe nicht gewählt, wünsche mir ein Ende dieser sinnlosen, jahrelangen Gewalt, damit endlich gerade die einfachen Menschen auf dem Land ihre Zukunft beginnen können. Doch solche Zerrbilder über die Realität in meinem Land lösen meine Hoffnung auf ein schnelles Ende in Luft auf. Darüber freuen sich rechts und links diejenigen, die an dem Leid dieses Landes gut verdienen und es schaffen, Bilder zu zeichnen die ihnen dienen. Sie sind die Minderheit. Die Mehrheit der Kolumbianer, die Mehrheit der Politiker, Militärs und Industriellen hierzulande wünschen und suchen ein Ende der Gewalt. Aber das Bild, welches das Ausland von uns hat, nimmt uns und unsere Interessen gar nicht wahr.