Morde an Gewerkschaften – auch das Ausland in der Verantwortung?
Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) veröffentlichte seinen zweiten Jahresbericht über die weltweiten Verletzungen der Gewerkschaftsrechte. Kolumbien ist dabei das Land, in dem die meisten Morde an Gewerkschaftlern geschahen. 78 sollen es 2006 gewesen sein.
Jeder einzelne dieser Morde schmerzt die kolumbianische Gesellschaft tief.
Gewerkschaftler sind die Opfer eine Gewaltwelle, derer die Kolumbianer nur schwer alleine Herr werden können. Internationale Unterstützung wäre angebracht, doch das Ausland macht es sich einfach und kreidet diese Morde der Regierung, sogar persönlich Uribe an. Im folgenden soll nicht die Politik der jetzigen Regierung schön geredet. Aber es ist zu billig, wie Herr Guy Ryder einfach auf die kolumbianische Regierung einprügeln und in ihr die alleinigen Verantwortlichen zu sehen.
Die Proportionen stimmen nicht mehr und aus der Ferne sind sie vollkommen verzerrt. Die Welt macht sich nicht die Mühe, weiter als bis zur Schlagzeile zu gehen.
Wie ist es zu verstehen, dass jüngst McLaren-Mercedes für einen Spionagefall zur Zahlung von 100 Millionen Dollar verdonnert wird, zur gleichen Zeit aber Chiquita Banana mit einer Zahlung von 25 Millionen USD davon kommt, nach dem sie zugegeben haben, dass sie über Jahre private Armeen in Kolumbien bezahlt und bewaffnet haben. Genau diese Privatarmeen, die auch Paras genannt werden und für die Mehrzahl der Morde an Gewerkschaftler verantwortlich sind.
Welche Relationen gelten hier? Eine Firma gibt zu, dass sie diese Mörder unterstützt hat und kommt mit einer für sie läpischen Geldstrafe davon. Juristisch muss sich keiner ihrer Bosse oder Verantwortlichen rechtfertigen. Man hat ja schon – ach Du Schmerz- 25 Millionen Dollar bezahlt. Und dieses Geld bleibt erstmal in den USA, auf den entsprechenden Konten der Justiz. An Reparationzahlungen an die Opfer der privaten Armeen Chiquitas denkt niemand, es wurde ja recht gesprochen.
Überlege sich mal der Leser, was los wäre, wenn Uribe zugeben würde, er hätte Paras bezahlt und bewaffnet. Kolumbien, die USA, Europa würden seinen Kopf fordern! Mit Recht! Aber warum geht man so leise und schnell zum Tagesgeschäft über, wenn es nicht Uribe sondern Chiquita war? Wie ernst ist es um die Solidarität des Auslands gestellt, wenn die Strafe gegen einen Rennwagenstall über Tage hinweg Schlagzeilen macht, das Geständnis Mörderbanden auf kolumbianische Gewerkschafter zu schicken nur eine Randnotiz ist? Hat Herr Ryder auch nur mit einem Wort gefordert, dass sich Chiquita der Verantwortung stellen sollte? Hat er gefragt, wieviele ausländische Firmen in Kolumbien es Chiquita gleich tun? Hat er angeboten, die Macht der IGB dazu zu nutzen um fest zu stellen, wieviele Arbeitsplätze in den USA und Europa davon abhängen, dass in Kolumbien ausländische Unternehmen mit Hilfe der Paras die Gewerkschaften klein halten und schöne Geschäfte machen?
Welche Maasstäbe gelten hier?
Herr Ryder ist sich sicher, dass die kolumbianische Regierung Mittel nur zur Propagandazwecke verbraucht, anstatt etwas gegen das Zerschlagen der Paras und damit einen der ärgsten Feinde der Gewerkschaftler zu beseitigen. Nun Herrn Ryder ist es wohl entgangen, dass sich die in den Jahren zwischen 1995 und 2006 als Paras bekannt gewordenen Banden zu einem großen Teil in Friedensverhandlungen mit der Regierung befinden. Diese Verhandlungen haben die Regierung und die kolumbianische Gesellschaft sehr, sehr viel gekostet. Juristisch sind dafür viele Kröten geschluckt worden.
Die Eröffnungen der Para-Führer während der Verhöre haben die engen Verwicklungen der Paras und der Politik aufgedeckt. So mancher Weggefährte Uribes muss sich nun verantworten. Auch über Morde an Gewerkschaftlern erfährt die Justiz neues, was Prozesse eröffnen kann. Insofern lügt die Regierung nicht, dass sich vieles gebessert hat.
In der Theorie.
Denn leider hinterlassen die sich entwaffnenden Paras ein Machtvakuum in die sich neue Bande oder alte drängen, die sich nicht unter die Amnestie stellen.
Kokain war das Hauptgeschäft der Paras. Ihr Rückzug eröffnet neuen Banden, den Guerillas der FARC und ELN und sonstigen Drogenhändlern die Chance, sich deren lukrative Schmuggelwege zu sichern. Das wird mit Gewalt ausgetragen. Es werden sich neue Gruppen etablieren. Diese werden sich auch bekriegen und die Opfer werden wieder die unbeteiligten Campesinos sein. Die kolumbianische Regierung hat das Geld und die Mittel nicht, um diesen Gruppen wirklich etwas entgegen zu setzen. Sie braucht dafür die Hilfe des Auslands. Aber das Ausland verkennt die Realität. Es genügt nicht die Paras und die FARC und die ELN auszuschalten oder die großen Drogenbosse dingfest zu machen. Der Ruf des Drogengeldes wird immer verlockend sein, solange es die reichen Abnehmermärkte gibt. Und damit wird der Blutzoll Kolumbiens hoch bleiben Herr Ryder. Egal ob Uribe oder sonst jemand die Regierung führt. Das Drogengeld ist mächtiger.
Aber das kümmert das Ausland wenig, denn es ist aufregend wenn die Silberpfeile bestraft werden und nicht das in Kolumbien irgendwelche Firmen sich Privatarmeen halten.
Chiquita ist nur eine von vielen ausländischen Firmen, die solche Armeen unterstützen.