TLC – Baustein für die Gesamtamerikanische Freihandelszone

ALCA In den vergangenen Wochen sind die Wellen zum Thema TLC im Zusammenhang mit den massiven Studentenprotesten noch einmal besonders in die Höhe geschlagen. Miguel hat uns bereits über den Inhalt des Vertrags aufgeklärt. Ich möchte in meinen nächsten Beiträgen versuchen politischen und wirtschaftlichen Interessen und langfristigen Auswirkungen zu beleuchten, dazu muss ich jedoch etwas weiter ausholen.

Es wäre nicht richtig den Vertrag TLC isoliert zu betrachten, denn er ist eben nicht nur ein wirtschaftliches bilaterales Abkommen zwischen Kolumbien und den USA, er ist Teil eines gesamtamerikanischen Prozesses. Der schwierige Spagat zwischen den verschiedenen nationalen politischen und ökonomischen Interessen stellt den Kontinent auf eine harte Probe. Einig sind sich die Länder zumindest darin, dass eine interkontinentale Vernetzung notwendig ist um zukünftig auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Je nach politischer Ausrichtung der Regierungen geht dabei jedoch die Angst vor den wirtschaftlich übermächtigen USA um.

Im Kalten Krieg war Latein- und Südamerika der Hinterhof der USA, doch auch nach dem Zusammenbruch des Sowjetreiches hat die Region ihre Bedeutung für die USA nicht verloren. In den Zeiten der Globalisierung ist es für die USA von besonderer Wichtigkeit hier ihre Macht zu sichern um langfristig der Konkurrenz aus China, Indien und Europa die Stirn bieten zu können. Bereits 1991 initiierte der damalige US-Präsindent George W. Bush Senior den Prozess zur Schaffung einer gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA (Área de Libre Comercio de las Américas), die auf Englisch auch FTAA (Free Trade Area of the Americas) genannt wird.

ALCA ist ein Freihandelsabkommen, zur grenzüberschreitenden Liberalisierung des Handels, öffentlicher Ausschreibungen, Investitionen und Patentrechten. Diese Zone würde beim Inkrafttreten 34 demokratische Staaten Nord- und Südamerikas umfassen, was Kuba nicht mit einschließt. Der Wirtschaftsblock würde mit einem Bruttoinlandsprodukt von 13 Billionen US-Dollar 40% des Weltanteils stellen und einen Markt mit 820 Millionen Konsumenten umfassen.

Die Bemühungen der USA die Staaten Südamerikas von den Chancen der ALCA zu überzeugen sind jedoch in den letzten Jahren zunehmend im Sande verlaufen, denn die Befürchtung, dass es gerade die USA sind, die mit einem Wirtschaftsanteil von zwei Dritteln das Bündnis dominieren, ist zu groß. Von US-Amerikanischer Seite wird zwar von freiem Wahrenverkehr gesprochen, doch gleichzeitig sind sie nicht bereit ihre massiven Subventionen für ihre Stahl- und Agraprodukte abzubauen. Wie beim Beitritt Mexikos zur Nordamerikanischen Freihandelszone droht die Gefahr, dass die einheimischen Märkte von den stark subventionierten US-Produkten überschwämmt werden und eigene Unternehmen Bankrott gehen.

Wie der UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler sagt „hat Freihandel mit Freiheit überhaupt nichts zu tun. Es ist die Freiheit des Raubtiers im Dschungel“. Freihandel zwischen zwei so unterschiedlichen Akteuren wie den USA und einem durchschnittlichen südamerikanischen Land führt zwangläufig zum Sieg des Stärkeren wenn dem schwächeren Land keine ausreichenden Sicherungsmassnahmen zugestanden werden.

Ausserdem wollen sich die Staaten Lateinamerikas auch nicht in eine solche Abhängigkeit zu den USA begeben, wie es beispielsweise Mexiko seit seinem Eintritt in die NAFTA ist. Die Mexikanische Wirtschaft währe inzwischen ohne die US-Importe und Exporte nicht mehr lebensfähig, was auch zu einer enormen politischen Abhängigkeit geführt hat. Diesen Fehler wollen die meisten Länder südlich von Mexiko nicht nachmachen, ausserdem sind z.B. Länder wie Argentinien und Brasilien traditionell wirtschaftlich und kulturell eher nach Europa ausgerichtet.

Es kommt hinzu, dass Länder wie Brasilien und Venezuela in den letzten Jahren auch größere wirtschaftliche Erfolge aufzuweisen haben und deswegen inzwischen eigene globale Ambitionen hegen. Brasilien richtet seine Politik vermehrt nach Afrika um dort mit den portugisischsprachigen Ländern wie Angola oder aber auch Südafrika intensive Handelsbeziehungen aufzunehmen.

Der massive Linksruck der vergangenen Wahlperioden auf fast dem gesamten Kontinent hat sein Übriges zur Stagnation der Verhandlungen beigetragen, denn linke Parteien sind in Südamerika traditionell besonders kritisch gegenüber den USA eingestellt. Vor allem einer der wichtigsten Öllieferanten der USA, Venezuela, ist seit dem Amtsantritt von Hugo Chavez zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden, denn er bezeichnet ALCA als „Werkzeug des Imperialismus“ und will die Integration der Lateinamerikanischen Länder nach dem Modell der Europäischen Union. Vermutlich wurde im Orinoko-Becken Venezuelas jetzt auch eines der größten Erdölvorkommen der Welt entdeckt, dass die Interessen Chinas weckt, das seine Investitionen in Südamerika zwischen 2003 und 2005 bereits verdoppelt hat.

Da das große Projekt ALCA nun vorerst eingefroren zu sein scheint, haben die USA eine neue Taktik eingeschlagen und versuchen mit den ihnen momentan nicht ganz so ablehnend gegenüberstehenden Ländern wie Kolumbien oder Costa Rica kleinere Freihandelsabkommen zu schließen und mit den anderen weiterhin zu verhandeln, um so vielleicht auf lange Sicht eine „Patchwork-ALCA zu erschaffen.

Weiterführende Links:

www.ftaa-alca.org
www.oew.org
www.uni-hamburg.de